Bongert Altenhoven in Bettembourg

Aufstieg, Glanz und (vorläufiger) Fall eines Luxemburger Lebensraums

 

Norbert Quintus, Regulus 1993 (leicht gekürzt)

 

Der "Bettemburger Bongert" ist ein etwa 13 ha groβer Obstbaumbestand. Vor 1970 standen hier noch ungefähr 1.500 Hochstammobstbäume, von denen ein Teil auf dem höhergelegenen Gelände "um Bierg" über 100 Jahre alt schien. Dieses schon respektable Alter des Baumgartens regte zur weiteren Nachforschung an.

 

Etwa 500 m in nord-östlicher Richtung vom Bettemburger Ortszentrum entfernt, ist das Gelände schon auf der "Ferraris-Karte" von 1777 als zusammenhängende Fläche auszumachen.

 

 

In einem Güterverzeichnis der Bettemburger Schlossherrschaft vom 11. Mai 1780 wird es auf folgende Art beschrieben: ,"terres labourables, saison dite Mosseler, en durs grains, ... in Peppinger Schleidt, une pièce, ... consiste en 5 journaux 49 verges 10 pieds; ... au mème canton, deux pièces de 2 j. 138 v. 2 p. et de 11 j. 118 v. 2 p.; item auf dem Berg deux pièces de 25 j. 122 v. 2 p. et de 3 j. 21 v. 4 p." zusammen also über 50 Morgen, d.h. etwa 17 ha gutes Ackerland, das der Anne-Marie-Bernadine, Gräfin von Hohenzollern-Hechingen, Herrin von Bettemburg, Abweiler, Hellingen und Aspelt gehörte. Die Gräfin war eine Nichte des letzten Barons von Zievel, Herrn von Bettemburg, der 1776 starb.

 

Am 6. Mai 1807 erwarb Charles-Joseph Collart, Dommeldinger Hüttenherr, die meisten Bettemburger Schlossgüter, darunter auch das Gelände "um Bierg" für seinen vierten Sohn Auguste Collart. Auf der Urkatasterkarte von 1824 erscheint das betreffene Land als geschlossener Besitz der Witwe Collart, mit einer Quelle im südwestlichen Teil; auf dem Gelände der "Peppinger Schleidt" zeigen die Felder die typisch langgestreckte Flurform, deshalb werden hier auch einige andere Besitzer aufgezählt.

 

1877 heiratete Joséphine Collart, eine Enkelin des ersten Schlossbesitzers, den Baron Charles Jacquinot, den späteren Betreiber der Bettemburger Ziegelei. Joséphine Collart verstarb 1886 und ihr Besitz wurde ein Jahr später unter ihren sieben unmündigen Kindern aufgeteilt. Caroline Jacquinot erhielt dabei "une parcelle de terre à Berg, contenant 13 ha 42 ares". Ihre Schwester Marguérite erhielt "des labours auf Peppinger Schleidt". Man darf annehmen, dass ihr Vater, der für diese Güter die Vormundschaft übernommen hatte, kurz danach den ersten Teil des Baumgartens "auf Berg" anlegte.

 

 

 

 

Fotos: Geschichtsfrënn Réiserbann / Archiv Gemeng Réiser 

 

In den Akten des Bettemburger Notars Faber vom 22. Januar bzw. 20. März 1916 verkaufen Caroline und Marguérite Jacquinot ihre Güter auf Berg, die diesmal z. T. als "une terre plantée d`arbres, clôturée d`une haie vive, avec remise, fontaine et abreuvoir", z. T. als "labours" beschrieben werden. Der damalige Bongert ganz oben "auf Berg" umfasste etwa 5,5 ha, während das unterhalb, westwärts gelegene Feld etwa 6 ha zählt. Als Käufer fungierten drei Brüder Schiltz aus Crauthem, Besitzer der dortigen Gärtnerei. Der Kaufpreis betrug damals 37000 Franken. Sie erweiterten den Bongert in der westlichen Hanglage, wobei ein zweites Pavillon entstand, das heute jedoch ganz verschwunden ist . Die neuen Besitzer entfachten eine rege Aktivität auf "Berg". Von Februar 1923 bis Februar 1924 kauft der begüterte Metzgermeister J.-P. Altenhoven aus Rümelingen die vorerwähnten Parzellen, erweitert seinen neuen Besitz auf Peppinger Schleidt und zahlt dafür insgesamt 107000 Franken.

 

Noch im Verlauf desselben Jahres entsteht nach Plänen des Zeichenlehrers Jos. Wegener "oben auf dem Brouch" ein geräumiges, modernes Hofgut, das ein herrschaftliches Wohnhaus, eine Scheune, verschiedene Ställe, besonders aber eine Brennerei nebst Lagerschuppen umfasst. Daneben entstehen zwei Geflügelställe, ein Bienenstand und nördlich davon ein Weiher. Der älteste Teil des Baumgartens, der um 1890 angepflanzt wurde, liegt in südöstlicher Hanglage zwischen 295 und 285 m Höhe; der von den Gebrüdern Schlitz um 1919 angelegte Teil liegt etwa auf derselben Höhe, verläuft aber am Nordwesthang, der "Mirabellenbongert" liegt zwischen 285 und 275 m ungünstiger am Fuβe des Hügels in feuchter NW-Lage und wurde nach 1925 geschaffen.

 

Zur Erntezeit wurden etwa 15 Pflücker beschäftigt. Auβerdem darf man ohne Zweifel annehmen, dass sowohl bei Ch. Jacquinot als auch bei J.-P. Altenhoven dem Bongert eine gewisse soziale Komponente zugeschrieben werden kann und zwar als Frischobstlieferant für die Arbeiter der Bettemburger Ziegelei bzw. Für die Rümelinger Grubenarbeiterfamilien.

 

Ab Juni 1940 bewohnte das Ehepaar Norbert Steffen, Zahnarzt in Bettemburg, und Eugénie Altenhoven, Tochter von J.-P. Altenhoven, das Hofgut. Nach 1945 wurden sowohl der Hof als auch die Obstplantage verpachtet.

 

Nach 1960 pachtete A. Seywert aus Livingen den Bongert zum Preise von 50 Franken pro Ar; hinzu kam, dass er ein Viertel der Ernte an Mme Steffen abliefern musste. Der Pächter trieb sein Vieh in die Anlage, um den Grasbewuchs zwischen en Bäumen möglichst niedrig zu halten. Vom Wohnhaus her führte eine Wasserleitung bis zu einer zentral gelegenen Viehtränke, die die Brunnen ergänzte. Während der Ernte wurde das gesamte Areal in von der Tränke aus in vier gleich groβe Flächen eingeteilt, in die das Vieh abwechselnd während des Pflückens getrieben wurde, um den Erntebetrieb nicht zu stören.

 

Normalerweise betrug der Ernteertrag 300 bis 500 Zentner Obst; in guten Jahren konnten sogar 800 Zentner erreicht werden. Ein groβer Teil wurde an die Brennerei O. Schmit nach Hellingen geliefert. Da in den letzten Jahren Hofanlage und Bongert getrennt vermietet wurden, litt der Gebäudetrakt zunehmend an Verwahrlosung, die Brennerei wurde stillgelegt, die Viehhaltung war schon längere Zeit eingestellt worden.

 

Bedingt durch den Bau der Autobahn Luxemburg-Diedenhofen, gelangte das Gut durch Verkauf an die staatliche Domänenverwaltung: Mehrere ha des einmahlingen Obstgartens wurden zerstört, das imposante Herrenhaus wurde nebst Dependenzien Opfer einer sinnlosen Baggeraktion.