Historische Reise des Kulturapfels
Verbreitungsareale von Malus sylvestris und Malus sieversii
Woher der Kulturapfel, der wichtigste Vertreter unserer einheimischen Obstarten, wirklich stammt, ist eigentlich erst seit kurzem genau bekannt, dank dem britischen Forscher Barrie Juniper. Man hatte bis 2001 vermutet, der uns heute bekannte kultivierte Apfel wäre aus Kreuzungen zwischen verschiedenen, im nördlichen Eurasien wild vorkommenden Apfelarten entstanden. Molekulargenetische Untersuchungen im Department of Plant Sciences der Universität Oxford in England haben gezeigt, dass einzig der Wildapfel Malus sieversii unserem Kulturapfel genetisch ähnlich ist. Das natürliche Verbreitungsgebiet dieses Wildapfels befindet sich jedoch in einigen, bis heute nur unzureichend erforschten Gebirgen Mittelasiens, unter ihnen der Dsungarische Alatau/Kasachstan, im Grenzgebiet zu China und Kirgisistan.
Wegen ihres saftigen Fruchtfleisches werden die Wildäpfel in ihrer Heimat regelmäßig von Großsäugetieren, etwa Bären, gefressen. Die Samen sowie manchmal sogar ganze Äpfel werden wieder ausgeschieden und die Apfelbäume auf diese Art und Weise verbreitet. So haben Säugetiere schon vor langer Zeit wesentlich zur Verbreitung von Malus sieversii beigetragen. Alle unsere vielen verschiedenen Apfelsorten stammen somit ursprünglich von dieser Wildapfelart ab, welche eine Größe von knapp 3 cm Durchmesser haben. Die Früchte sind von grünbrauner Farbe und haben einen leicht herben bis bitteren Geschmack.
Einen interressanten Beitrag 'Alte Gene für neue Äpfel' von Catherine Peix bei arte (10.05.2010) zur Verbreitung und Bedeutung des Altai-Apfels (Malus sieversii) können sie etwa bei Youtube anschauen.
In der Jungsteinzeit verliefen bereits Handelswege in unmittelbarer Nähe zu den mittelasiatischen Gebirgen, in denen der Wildapfel Malus sieversii vorkommt. Jahrtausende später wurde die chinesische Seide über diese Wege nach Westen transportiert. Alles deutet darauf hin, dass hierbei der Apfel und auch das Wissen um Apfelkultur und Apfelveredlung entlang der Seidenstraße zu uns gekommen sind. Wahrscheinlich nicht zufällig liegt an einer dieser Handelswege die Hauptstadt Kasachstans, Alma-Ata (heute Almaty), was übersetzt Vater der Äpfel bedeutet. In allen Turksprachen heißt der Apfel einheitlich alma, von der nordwestchinesischen Provinz Qinghai bis Istanbul. Erstaunlicherweise findet sich dieser Name auch in sämtlichen mongolischen Sprachen und, etwas weniger überraschend, im Ungarischen. Mit den Römern kam der Kulturapfel nach Mitteleuropa. Dieser wurde dann über viele Jahrhunderte vor allem in Klostergütern kultiviert. Den Höhepunkt erreichten Apfelkultur und Apfelzucht aber erst im frühen 19. Jahrhundert. Damals kam es in Mode, zahlreiche Sorten zu züchten und zu kultivieren, was zu einer Vielfalt an Sortennamen, Obstbauzeitschriften und Obstbauvereinen führte. Die molekulargenetischen Untersuchungen haben auch ergeben, dass unser heimischer Wildapfel Malus silvestris, den Kelten, Gallier und Germanen bereits vorfanden, keine Verwandtschaft mit unserem Kulturapfel aufzeigt. Eine Ausnahme könnte die Sorte Weißer Trierer Weinapfel sein, die im Volksmund auch Holzapfel genannt wird und in seinen Fruchteigenschaften den Früchten des Europäischen Wildapfels Malus silvestris ähnelt.
Kurze Geschichte der Birne
Die Entwicklung der Gattung Birne (Pyrus) dürfte so verlaufen sein, wie dies beim Apfel vor den Erkenntnissen von B. Juniper angenommen wurde. Primitive Formen (aus West- und Südwestchina) haben dann, je nach klimatischen Bedingungen, verschiedene isolierte Populationen entwickelt. Insgesamt soll die Gattung Birne 20 bis 30 echte Wildarten umfassen. Die Ausgangsform für die ausschließlich in Europa entstandenen Kultursorten ist Pyrus communis, die Kulturbirne, als Ergebnis vielzähliger Hybridisierung. Pyrus nivalis, die Schneebirne soll jedoch als Ausgangsart für viele unserer Mostbirnen stehen. Der Grieche Homer erwähnte bereits etwa 1.000 v.Chr. die Birne als eine Gabe Gottes, der Peloponnes erhielt den Beinamen Apia, das Birnenland, und der Anbau, die Vermehrung, das Dörren, die Weinbereitung als auch medizinische Eigenschaften waren bereits bekannt.
Bei den Römern waren bereits über 30 Sorten mit Namen bekannt, zum Ende der römischen Herrschaft etwa 55. Ab 600 n. Chr. waren es dann die Klöster, die die römische Vorarbeit weiter entwickelten. Das eigentliche goldene Jahrhundert für die Sortenentstehung bei den Birnen begann dann um 1750 vor allem in Frankreich, Belgien, aber auch in den Niederlanden, Deutschland und England.
Warum gibt es so viele Obstsorten?
Ursprung der Obstsortenvielfalt ist die in der Natur verbreitete Fremdbestäubung, bei der der Pollen einer Vaterpflanze die Blüte einer anderen Mutterpflanze befruchtet. Dies wurde durch die Experimente von R. J. Camerius, in der Schrift De sexu plantarum epistola bereits 1694 beschrieben. Die genetischen Informationen der Elternsorten, die unterschiedliche Eigenschaften aufweisen, werden in den Nachkommen neu kombiniert. Der Botaniker Gregor Mendel (1822-1884) aus Brünn/Tschechien hat dieses Phänomen mit seinen berühmten Erbsenversuchen belegt und die Vererbungsgesetze formuliert. Er hat dabei eine regelmäßige Aufspaltung des Erbgutes nachgewiesen. Auch der Apfel ist aus dem Samen heraus nicht sortenbeständig. Für den Obstbauer heißt das: Säe ich einen Apfelsamen aus, so erhalte ich nie die gleiche Sorte, da dieser die Erbinformationen der Mutter- UND Vaterpflanze hat. Diese Erkenntnis spielte für die Obstsortenzüchtung die entscheidende Rolle und man konnte ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts durch gezielte Bestäubung/Befruchtung Eigenschaften verschiedener Sorten kombinieren.
Die Vermehrung von Apfel- und Birnensorten erfolgte durch Veredlung. Eine erste historische Erwähnung einer veredelten Apfelsorte findet man bei dem römischen Landbauschriftsteller Plinius der Ältere (23/24 - 79 n. Chr.). Eine Sorte namens Api brachte Appius Claudius im 4. Jh. v. Chr. von dem griechischen Peloponnes nach Rom. Das Veredeln ist eine vegetative Vermehrung: Jede Zelle eines Lebewesens hat die gleiche genetische Information. Dies nutzt man bei der Veredelung aus, indem man ein kleines Aststück (Kopulation oder Propfen) bzw. eine Knospe (Okulation) einer gewünschten Sorte auf eine bereits bewurzelte Pflanze (Unterlage) aufbringt.
Große und kleine Bäume
Durch die Auswahl der Unterlagen kann man die Wuchseigenschaften bestimmen. Unsere klassischen Hochstammobstbäume sind Veredlungen auf Sämlingsunterlagen, die aus einem Samen herangezogen wurden. Diese Bäume sind langlebig, bilden große Kronen und verwurzeln sich tief und breit im Boden. Dadurch sind sie weniger empfindlich gegenüber Trockenheit, sie können Nährstoffe im Boden besser erschließen und auch sehr alt werden. Nachteile sind der späte Ertrag nach dem Pflanzen (5-10 Jahre, je nach Sorte und Obstart), die aufwändige Ernte und ein von Jahr zu Jahr stark schwankender Ertrag (Alternanz).
Viele dieser Nachteile wurden mit der Einführung der Buschbäume weitgehend ausgeräumt: Durch die Forschung in den 20-er Jahren in England (East Malling) konnten schwach wachsende Unterlagen selektiert werden. Besonders bei Apfel und Birne konnte somit der hochstämmige Obstbau in intensive Plantagen umgewandelt werden. Die Erträge sind regelmäßiger, höher, setzen früher ein und der Pflanzenschutz und die Ernte sind wesentlich einfacher durchzuführen. In Europa wurden die ersten Plantagen in größerem Umfang in den 1930-er und 1940-er Jahren gepflanzt, in Luxemburg erst in den 1950-er Jahren, hier vor allem an der Mosel.
Hier erhalten Sie weitere Informationen zur Geschichte des Obstbaus in Luxemburg.